Wir sind in Kontakt zum Bischof von Opole in Polen, denken an Aglona (Lettland) oder auch an Melchtal (Schweiz). Europa soll zusammen wachsen, und so laden wir Sie ein, an der Friedenswallfahrt entlang der Donau mit Erzbischof em. Robert Zollitsch teilzunehmen. Einen geistlichen Ausblick auf das neue Jahr gibt Pater Notker:
Mit „Maria Mutter Europas“ ins neue Jahr 2019
Es ist faszinierend: Wenn junge Eltern ihren Kinderwagen durch die Stadt, durchs Dorf chauffieren, da gibt es immer wieder Menschen, die doch mal einen Blick in den Wagen riskieren. In Bärenthal, einer meiner früheren Gemeinden, erlebte ich Folgendes: Am Dorfbrunnen oberhalb der Gaststätte „Ochsen“ waren – sage und schreibe – fünf Mütter mit fünf Kinderwägen versammelt, saßen auf dem Brunnenrand, die Kinderwägen vor sich, die Kinder auf dem Arm, sprudelten mit ihren Anekdoten so laut und so fließend wie die beiden Brunnenröhren. Ein himmlisches Bild. Alle waren stolz auf ihre Kleinen. Und dann kam der Pfarrer noch dazu, der all diese Kinder schon getauft hatte. Nun bekamen die Mütter und die Kinder noch einzeln den Segen und das Geplauder ging munter weiter.
Auch bei Josef und Maria im Stall zu Bethlehem stell ich mir den Besucherandrang und das Gewusel ähnlich vor. Mit großer Freude und mit einem gewissen Stolz werden sie ihr Kind Jesus gezeigt haben; und zudem geht vom Wunder des Lebens offensichtlich eine Faszination aus, der sich kaum ein Mensch entziehen kann, damals wie heute. Und man spürt das Staunen, das Menschen ergreift, wenn sie diesem Wunder näher treten.
Dieses Staunen umfasste alle, wie Lukas berichtet: die Hirten, Maria und Josef und alle, die davon hörten. Der Blick auf das Jesulein bewegt die Hirten, er bewegt sie zu Lobpreis und Dankbarkeit. Sie spüren, Gott hat unser Rufen und Flehen erhört. Er wendet sich uns zu. Seine Sorge gilt uns – gerade den vermeintlich unbedeutenden, unscheinbaren, den „kleinen Leuten“. Hier liegt ein Baby, ein Kind, der „Gott ist mit uns“, der Emanuel; über diese augenscheinliche Glücksbotschaft freuen sie sich aus ganzem Herzen. Sie vergessen diesen leuchtenden Anblick des göttlichen Kindes nie mehr, ihr ganzes Leben nicht. Prägend für ihr ganzes Leben.
Ja, die Hirten kehren zurück zu ihren Herden, zurück in ihren Alltag. Aber die Gewissheit, von Gott angeschaut worden zu sein, hat ihren kleinen Alltag verwandelt auch wenn er alltäglich blieb. So ist unter diesem liebenden Blick Gottes auch jeder noch so alltägliche Alltag im wahren Sinne Gottesdienst, Dienst für dieses göttliche Kind; im Büro, in der Küche, beim Krankendienst, in der Werkstatt, an der Pforte, beim Autofahren und Briefe schreiben, immer wieder aufs Neue ein Sich-Einfinden in der Gegenwart Gottes, der mich liebend anschaut, Tag um Tag. Hast du deinen Bruder gesehen, hast du deine Schwester gesehen, hast du Gott gesehen, hast du das göttliche Kind gesehen. Hast du deiner Schwester Gutes getan, hast du deinem Bruder Gutes getan, das hast du dann dem Kind im Stall zu Bethlehem wirklich persönlich getan.
Maria, so formuliert es der Evangelist Lukas, „bewahrte alles, was geschehen war in ihrem Herzen, und dachte darüber nach.“ Alles wird von ihrem mütterlichen Herzen, ihrer mütterlichen Liebe umschlossen. Aus dieser Umschließung holt sie sich dann später die Kraft, in Leid und Kreuz, wenn es steinig und dornig sein wird, was noch auf sie zukommen wird, schöpft sie Zuversicht und Hoffnung. Auch unser Herz trägt die unbändige Zuversicht in sich, dass sich alles, alle Reibungsflächen und Unebenheiten, alle Tränen und Leiderfahnıngen über jede Schmerzensstation hinaus zum Guten wenden wird.
Wir stehen am Anfang eines neuen Jahres, Jahr 2019 nach Christi Geburt. Es liegt vor uns wie ein neues unbeschriebenes Blatt eines Buches mit 365 Seiten. Wir können in den meisten Fällen nicht abschätzen, was einmal auf diesen Seiten geschrieben stehen wird. Auch Maria konnte vermutlich nicht abschätzen, was die Geburt dieses Kindes für sie, ihre Partnerschaft mit Josef und ihr Leben langfristig bedeuten würde. Neben all der Freude, Mutter zu werden, war sie sich der Herausforderung sicher genauso bewusst und erlebte Gottes Wirken in ihrem Leben an manchen Punkten höchstwahrscheinlich sogar als Zumutung. Aber aufgrund ihrer Erfahrungen konnte sie in ihrem „Ja“ leben, und das immer wieder aufs Neue. Damit kann sie am Anfang dieses Jahres 2019 auch uns zu einem Vorbild werden, zu unserem Ja für ihn.
Möge es auch uns gelingen, in schwierigen, leidvollen Zeiten vom Anblick des Kindes her immer wieder neu Kraft und Zuversicht zu schöpfen. Jetzt da ich in Engelthal bin, kann ich natürlich nicht zum Dorfbrunnen gehen wie in Bärenthal zu den vielen zappelnden Kinder, doch ich kann in die Kirche gehen in die erste Bank da vorne, im Strahlenkreuz von Tabernakel und Altar und Jesus im Tabernakel, hier noch kleiner wie ein Baby, nur mehr ein Stück Brot groß, ihn dazu noch verschlossen, einfach anschauen und mich anschauen lassen und ihm sagen: Jesus, Kindelein von Bethlehem, so winzig klein in der Hostie, schau, dein noch viel kleinerer Diener ist da und freut sich an dir. Amen.