Es ist ein Ros entsprungen aus einer Wurzel zart
wie uns die Alten sungen, von Jesse kam die Art
und hat ein Blümlein bracht
mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht
versammelt um die Krippe mit dem Jesuskind, mit Maria, seiner lieben Mutter, und mit Josef, dem schützenden Nährvater, lasst uns nach Bethlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat. Mit diesen zugegebenermaßen einfachen Worten ist das ganze Programm unserer Weihnachtsfeier enthalten. Wenn wir in unseren Wohnungen und Kirchen Krippen aufstellen, dann machen wir uns auf den Weg nach Bethlehem wie die Hirten vom Hirtenfeld zu den Stallhöhlen vor den Toren der davidischen Kleinstadt, um damit Augenzeugen zu sein von der Geburt Jesu, des Herrn und Heilandes aller Welt.
Die Stallhöhle in Bethlehem, heute noch wie damals, an den Berghängen draußen vor der Stadt, Höhle an Höhle am Berghang, einzelne mit Bretterverhauen vergrößert und abgeschlossen und in eine solche schlüpft Josef hinein mit seiner hochschwangeren Frau Maria, nachdem er in den Herbergen keine geziemende, ruhige Unterkunft für seine, die gesegneten Leibes ist, gefunden hat. Bethlehem in diesen Tagen der Volkszählung überfüllt: In jenen Tagen geschah es, dass vom Kaiser Augustus ein Befehl ausging, dass der gesamte Erdkreis aufgezeichnet werde. Diese erste Aufzeichnung geschah, als Quirinius Statthalter von Syrien war. Alle gingen hin, sich eintragen zu lassen, ein jeder in seine Stadt. Auch Josef zog von Galiläa, aus der Stadt Nazareth, hinauf nach Judäa in die Stadt Davids, die Bethlehem heißt – weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war -. Wer klopfet an, oh zwei gar arme Leut, was wollt denn ihr, oh gebt uns Herberg heut, oh durch Gottes Güt wir bitten, öffnet uns doch eure Hütten – 0 nein, o nein, ihr kommt einfach nicht rein.
Komm Maria, ich weiß eine Lösung, wir gehen in eine der Höhlen vor der Stadt, da kommen wir unter, und wir zwei, wir drei haben unsere Ruhe. – und sie gebar ihren erstgeborenen Sohn, hüllte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe. Noch heute ist diese Höhle vorhanden in alter Art und Weise, der Platz, an dem Maria den Herrn der Herren, Gottes Sohn, Jesus Christus, geboren hat, da ist heute auf dem Boden, wo Maria bei der Geburt kniete, ein silberner stern eingelassen mit einer Höhlung in der Mitte, damit der Gläubige, der nach Bethlehem gekommen ist, hindurch langen kann und den Stein streicheln kann, auf dem Himmel und Erde sich leibhaft begegneten. Et verbum caro factum est. Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt. Wir haben seine Herrlichkeit gesehen, Gott von Gott, Licht vom Licht, wahrer Gott, eines Wesens mit dem Vater, durch ihn ist alles geschaffen im Himmel und auf Erden. Welch Welten erschütterndes Ereignis in den Jahrmilliarden der Äonen, hier punktuell, geschehen, Gnade über Gnade, Licht über Licht. Der unendlich Große Gott wird kleines Kind, klein, klein, klein, damit wir Kinder der Erde groß werden dürfen, Töchter und Söhne Gottes. O admirabile commercium, welch wunderbarer Tausch. Gott wird Mensch, damit wir Menschen vergöttlicht werden.
In derselben Gegend waren Hirten auf dem Felde und hielten Nachtwache bei ihrer Herde. Mitten im kalten Winter, wohl zu der halben Nacht. Da trat ein Engel des Herrn zu ihnen, und es umstrahlte sie die Herrlichkeit des Herrn, und sie fürchteten sich sehr. Der Engel aber sprach zu ihnen: fürchtet euch nicht! Denn seht, ich verkünde euch eine grroße Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll. Euch wurde heut in der Stadt Davids ein Retter geboren, der ist Messias und Herr. Und dies soll euch zum Zeichen sein: Ihr werdet ein Kindlein finden, in Windeln eingehüllt und in einer Krippe liegend. Da sagten die Hirten zueinander: Lasst uns hinübergehen nach Bethlehem .. und sie gingen eilends und fanden Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag… In der Felsenwand ist ein Futtertrog ausgehauen, in den die Hirten das Futter für ihre Tiere hinein werfen konnten. Eine Naturkrippe, der Futtertrog, den ganzen Krippen – Trog streichelte ich mit meinen Händen, hier hat das J esulein geruht. J esukind, J esukind, J esukind. Und wenn ich bei heiligen Taufen ein Baby in meinem Arm tragen darf, dann denke ich an diesen Moment in der Bethlehemer Höhle, doch wohl schon rund 1ooomal.
Neben der Höhle in Bethlehem, in welcher Jesus Christus der Herr geboren wurde, ist eine weitere Höhle, in welcher über 3 Jahrhunderte später ein großer Theologe sich wohnlich niederließ und die Heilige Schrift aus der hebräischen und griechischen Urform ins damals gängige Lateinisch übertrug, der heilige Hieronymus. Und von ihm, der direkt neben der Geburtsgottes Jesu arbeitete und wohnte, stammt ein Satz, der uns alle gerade am Geburtsfest des Herm als tiefer Imperativ zum nachdenken gibt: Wäre Christus hundert Mal in Bethelehem geboren, aber nicht in deinem Herzen, dann wäre er umsonst geboren. Öffne dein Herz als Geburtsstätte Jesu, damit er in dir geboren wird. Mitten im kalten Winter wohl zu der halben Nacht. Amen.
Gebet für Europa Carlo Maria Kardinal Martini SJ (1927 – 2012)
Herr der Geschichte,
Sieh auf diesen Kontinent,
dem du die Philosophen, die Gesetzgeber und die Weisen gesandt hast,
Vorläufer des Glaubens an deinen Sohn,
Vater der Menschheit,
der gestorben und wieder auferstanden ist,
Sieh auf diese Völker, denen das Evangelium verkündet,
durch Petrus und durch Paulus,
durch die Propheten, durch die Mönche und die Heiligen,
Sieh auf diese Regionen,
getränkt mit dem Blut der Märtyrer,
berührt durch die Stimme der Reformatoren,
Sieh auf diese Völker, durch vielerlei Bande miteinander verbunden,
und getrennt durch den Hass und den Krieg,
Gib uns, dass wir uns einsetzen,
für ein Europa des Geistes,
das nicht nur auf wirtschaftlichen Verträgen gegründet ist,
sondern auch auf menschlichen und ewigen Werten:
Ein Europa, fähig zur Versöhnung,
zwischen den Völkern und Kirchen,
bereit, um den Fremden aufzunehmen,
respektvoll gegenüber jedweder Würde.
U.I.O.G.D. (Damit in allem Gott verherrlicht werde)
Gesegnete Weihnachten wünscht
Ihr/Euer P. Notker OSB